Ermordung des Psychiatrie-Patienten Friedrich Wilhelm Persich
Von Torben Dannhauer
Die Ermordung Friedrich Wilhelm Persichs, Patient einer Hamburger Psychiatrie, im Rahmen der NS-Euthanasie hat eine lange Vorgeschichte. Blickt man in die in deutschen und polnischen Archiven erhaltenen Akten, so offenbart sich eine ihren Patienten gegenüber abfällig bis feindlich eingestellte Ärzteschaft psychiatrischer Einrichtungen. Diese lange vor 1933 eingeübte Disposition unter dem medizinischen Personal sogenannter "Irrenanstalten" wurde später eine Grundlage, dass ein Teil der Ärzteschaft gemeinsam mit dem NS-Regime die Stufen der Radikaliseriung mitging und letztendlich zur Täter- und Komplizenschaft bei der Tötung von Anstaltsinsassen bereit war.
Friedrich Wilhelm Persich litt laut den Diagnosen in seinen Patientenakten an Schizophrenie. Er wird als debil, d.h. in seiner geistigen Entwicklung zurückgebieben, beschrieben. Andererseits zeugen die erhaltenen Briefe aus seiner Feder zwar von einer mitunter konfusen und paranoiden Weltsicht, sind jedoch immer wieder mit einer überraschenden Eloquenz verfasst. Er soll leidenschaftlicher Schachspieler gewesen sein.
Wilhelm Persich entwickelte in der geschlossenen Psychiatrie zunehmend paranoide Ansichten. In den Hamburger Staatskrankenanstalten Friedrichsberg bzw. Langenhorn sah er sich Verschwörungen und Manipulationen der Ärzte ausgesetzt und ungerechtfertigterweise seiner Freiheit beraubt.
1. Familiärer Hintergrund
An nur eine Begegnung mit seinem Vater konnte sich F. Wilhelm Persich in späteren Jahren erinnern. Als er neun Jahre alt war kam dieser per Schiff von Südamerika nach Hamburg. Bis dahin war Persich im Glauben belassen worden, dass sein Vater bereits tot sei. Der hatte sich 1890 in Richtung La Plata eingeschifft und seine Frau mit den beiden Söhnen in Altona zurückgelassen. Friedrich Wilhelm Persich war damals zwei Jahre, sein Bruder Ernst sechs Jahre alt. Bereits als Kind entwickelte er Selbsttötungsideen und erzählte seiner Mutter davon. Jene hatte 1899 in zweiter Ehe den Speicherarbeiter und Kassenboten Hagelstein geheiratet, und 1910 in dritter Ehe den Kutscher Bold, nachdem ihre Ehe mit dem Speicherarbeiter einige Jahre zuvor geschieden wurde. Mit 11 Jahren begann Friedrich Wilhelm Persich neben der Schule als Laufbursche für einen Brotkutscher zu arbeiten. Über seine Schulzeit schrieb er einmal: "Bekam recht viel Hiebe und wurde mit ein ganz schlechtes Zeugnis entlassen." Mit 17 Jahren verließ er die Wohnung, in der seine Mutter und sein Stiefvater lebten, und mietete sich in ein Zimmer ein. Er arbeitete als Fensterputzer. Seit er mit 15 Jahren die Volksschule verlassen hatte, war er in diversen unsteten Beschäftigungen als Gläserspüler, Lotterielosverkäufer, Etikettierer in der Hansa Bierbrauerei, Glaser, Versicherungsvertreter, Reisender in Tabak oder Hoteldiener tätig.
2. Erpressung und Haft
Nach einem Fensterputzerstreik in Hamburg 1905 wurde Persich von seinem Arbeitgeber entlassen. "Ich in meiner Dummheit ließ mich zu allem aufwiegeln, und dafür, wie der Streik zu Ende war, ward ich vom Chef gemaßregelt", erinnerte er sich einige Jahre später. Er ging nach Berlin und arbeitete dort weiter als Fensterputzer. In einem Lokal lernte er einen promovierten Chemiker kennen, mit dem er homosexuellen Kontakt hatte. Einige Zeit später soll Persich von ihm per Brief 200 Mark gefordert und ihm gedroht haben, bei Nichtzahlung eine Anzeige gegen ihn wegen sexuellen Verkehrs mit einem Minderjährigen zu erstatten. Mit seinen 17 Jahren war er zum Zeitpunkt ihrer wohl nur einmaligen intimen Interaktion noch nicht volljährig gewesen. Der erpresste Chemiker ging scheinbar auf Persichs Geldforderung ein und wandte sich jedoch seinerseits an die Polizei. Bei der verabredeten Geldübergabe wurde Persich verhaftet.
Es kam zum Prozeß. Bei seiner Verteidigung machte Persich Geldnot geltend und ein nicht nachweisbares Versprechen des Chemikers, ihm jederzeit in Not zu helfen. Die genauen Hintergründe sind undurchsichtig. Die finanzielle Schieflage Persichs hing wohl mit einem Arbeitsunfall zusammen, bei dem er zu Weihnachten 1905 mehrere Meter in die Tiefe gestürzt sei und daraufhin einige Zeit im Krankenhaus gelegen habe. Das Gericht veruteilte ihn zu neun Monaten Gefängnis. Nach einigen Wochen Haft in Tegel wurde er in die Charité und von dort in die "Irren-Anstalt Dalldorf" bei Berlin eingeliefert, wo er acht Monate in der geschlossenen Psychiatrie verblieb. Bereits im Untersuchungsgefängnis Moabit hatte er durch Öffnen der Gasleitung der Zellenbeleuchtung versucht, sich das Leben zu nehmen. Er wiederholte die Selbsttötungsversuche im Gefängnis Tegel einige Monate später, in dem er sich mit seinen Hosenträgern zu erhängen versuchte und sich die Handgelenke öffnete. Nach Hamburg überführt hatte er die unterbrochene Haftzeit in Fuhlsbüttel abzusitzen, verbrachte bis 1909 jedoch immer wieder kürzere oder längere Phasen in psychiatrischen Einrichtungen der Stadt.
3. Versuchter Juwelenraub
Im Winter 1909/1910 schmiedete Persich mit einem Bekannten einen Plan für einen Einbruch bei einem Juwelier in der Hamburger Innenstadt. Der Plan sah vor, auf den Großen Bleichen in den Blumenladen Maass einzubrechen und von dort aus die Wand zum benachbarten Juwelierladen Mohr zu durchstoßen. Zuvor brachen beide gemeinsam bei einem Schlosser in der Wexstraße ein und beschafften sich Werkzeuge, Dietriche und Schlüsselrohlinge. Bei der Tatausführung bei Juwelier Mohr blieb der Bekannte im Hintergrund. In einer Januarnacht 1910 machte sich Persich alleine mit diversen Schlüsseln und Dietrichen am Türschloss des Blumenladens zu schaffen. Öffnen konnte er die Tür jedoch nicht. Als er sich in der folgenden Nacht erneut an das Aufbrechen des Blumenladens machte, ahnte er nicht, dass ihn hinter der Ladentür bereits drei Kriminalbeamte erwarteten. Sein Komplize, der ihm zuvor die Anfertigung und Handhabung von Dietrichen beigebracht hatte, hatte ihn an die Polizei verraten. Eine Anzahl weiterer Polizisten war in den Gebäuden der Umgegend postiert. Die Rolle seines Komplizen ist reichlich undurchsichtig. Er hatte sich zuvor an der Tatvorbereitung beteiligt, indem er den in Einbrüchen ungeübten Persich das Aufbrechen von Schlössern zeigte, und ihn möglicherweise auch mehr oder weniger zur Tat animiert hatte. Letztendlich wird er in den Quellen als Polizeispitzel bezeichnet, der Persich an die Kriminalpolizei verraten hat. Der Raubzug wurde dann nicht durch die Polizei verhindert, sondern scheiterte am Unvermögen Persichs, die Tür des Blumenladens mittels der mitgebrachten Dietriche zu öffnen. Er zog auch in der zweiten Nacht unverrichteter Dinge wieder ab und wurde später verhaftet. Das folgende Verfahren stellte nach § 51 StGB die Unzurechnungsfähigkeit fest und Persich wurde erneut in die Psychiatrie eingewiesen. Dort blieb er, unterbrochen nur durch zwei kurze Entweichungen, bis in das Jahr 1921.
4. Diagnosen
Die Ärzte der "Irrenanstalt Dalldorf" in Berlin stellten 1906 fest, „aus der Art und Weise, wie er die vorgelegten Fragen beantwortet", gehe hervor, dass Persich "durchaus keine im pathologischen Sinne verminderte Intelligenz" besitze. In der "Irrenanstalt Friedrichsberg" beschrieb man ihm im Jahr darauf ähnlich als "nicht besonders unintelligent, aber etwas pueril im Fühlen und Phantasieleben". Auch lese er viel. Zweitweise habe er sich regelmäßig mitunter täglich zum Schachspielen getroffen. Andererseits seien seine "Eingaben an den Kaiser und Staatsanwalt ungeheuer wirr". Es wurden ihm daneben "neuro- und psychopathische Züge“ attestiert. Seine Mutter berichtete, er soll schon als Kind Suizid-Gedanken geäußert haben.
Eingesperrt fing Persich an zu schreiben. "Systematische Provozierung der Geisteskrankheiten in Hamburgischen Anstalten - Eine Irrenhaussatyre" war der Titel einer seiner Arbeiten. 1922 verweigerte er während des Prozesses wegen Raubes in Bergedorf eine psychologische Untersuchung, "denn sämtliche Hamburger Physici", so Persich, "sind gegen mich eingenommen". In den Folgejahren verstärkte sich bei Persich die Überzeugung einer ärztlichen Verschwörung, die ihn manipuliert und so absichtlich den Vorwand für eine dauerhafte Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie schafft.
Im Laufe der Zeit betonten die Diagnosen zunehmend einen pathologischen bzw. debilen Charakter, und Intelligenz wurde ihm letztendlich mehr oder weniger aberkannt. Je länger der Zwangsaufenthalt in der Psychatrie währte, desto entschieden-drastischer wurden die Diagnosen. Der ärztliche Direktor der Staatskrankenanstalt Langenhorn, Dr. Schäfer, diagnostizierte 1931, bei Persich handele es sich „um einen hochgradig debilen, triebhaften Psychopathen mit der bei primitiven Naturen oft beobachteten Neigung zu paranoiden Auffassungen“. Auf Anfrage der Polizeibehörde Hamburg teilte Assistenzarzt Dr. Knigge im April 1933 mit, Persich sei ein „hochgradig debiler, asozialer Psychopath, in dessen Verhalten sich nicht das Geringste geändert hat.“ Seine „krankhafte Veranlagung“ sei eine „ständige Gefahr“ für die „öffentliche Sicherheit“, weshalb die „Fortdauer der Internierung unbedingt erforderlich sei.“ In ähnlicher Weise wurden in den Folgejahren von den Ärzten in Langenhorn behördliche Anfragen beantwortet, wobei zunehmend ein Verbrechertum betont und psychologisch-medizinische Indikatoren unter den Tisch fielen. 1940 beantwortete Dr. Quickert die Anfrage der Polizeibehörde mit einem einzigen lakonischen Satz: "Die Gemeingefährlichkeit des kriminell veranlagten Persich erfordert weiterhin gem. § 2 V.G. Anstaltsverwahrung."
5. Raubüberfall
Im Februar 1922 wurde durch die vierköpfige Bande bestehend aus den vielfach vorbestraften Wilms und Ehlers, sowie aus Bartkowiak und Persich in Curslack bei Bergedorf ein brutaler Raubüberball begangen. Persich und Bartkowiak fuhren einen Tag vor der eigentlichen Tat gemeinsam nach Bergedorf, um sich dort einen zum Kauf angebotenen Geflügelhof anzusehen. Gegenüber dem Verkäufer gaben sie vor, mit einem am Erwerb des Hofes interressierten Deutsch-Amerikaners in Kontakt zu stehen, und verhandelten im Schein über die Kaufmodalitäten. Sie wurden sich mit dem Besitzer soweit einig, dass es folgenden Tags zu einem weiteren Treffen kam, an dem sich Wilms als amerikanischer Staatsbürger namens "Mister Fock" und Ehlers als dessen Sekretär ausgaben.
Während der vorgetäuschten Vertragsunterzeichnung schlugen Wilms und Ehlers den Hofbesitzer in seinem Haus am Brookdeich bewusstlos, fesselten ihn und wickelten ihn in Decken ein. Es wurde Schmuck und Bargeld erbeutet, anschließend fuhren alle vier Komplizen gemeinsam mit den Bahn zurück nach Hamburg. Möglich ist, dass Persich und Bartkowiak in naiver Leichtgläubigkeit die gefakten Verhandlungen im Auftrage von Wilms und Ehlers geführt haben, ohne in die eigentliche Absicht des Raubüberfalls eingeweiht gewesen zu sein.
Am 27. Februar 1922 kamen Persich und seine drei Komplizen in Untersuchungshaft. Im Verlauf des Prozesses wurde sein Verfahren aufgrund § 51 StGB ("Unzurechnungsfähigkeit") von denen der anderen abgekoppelt. Im Juli 1922 wurde der Antrag Persichs abgewiesen, "ihn in eine Anstalt ausserhalb Hamburgs zwecks Begutachtugn überführen zu lassen", da er der Überzeugung sei, dass "sämtliche [...] Aerzte Hamburgs gegen ihn befangen seien." Am 11. August 1922 ließ ihn der Untersuchungsrichter am Landgericht in die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg transportieren, um ihn dort sechs Wochen lang „zur Vorbereitung eines schriftlichen Gutachtens über seinen Geisteszustand" beobachten zu lassen. Am 20. September wurde der Justizbehörde telefonisch mitgeteilt, "daß die Staatskrankenanstalt Friderichsberg die Abholung des Persich nach dem Unters. Gefängnis verlangt." Noch am gleichen Tag wurde Persich dort "mittelst Dienstauto" abgeholt. Wenig später erfolgte die Einweisung in die "Irrenanstalt Langenhorn", die Persich nie wieder in die Freiheit verlassen sollte.
6. Zwangssterilisation im Hafenkrankenhaus
Gegen Mitte April 1934 bat die ärztliche Anstaltsleitung den Kutscher Carl Bolt zu einer Unterredung in die Staatskrankenanstalt Langenhorn. Sein Stiefsohn, so das entsprechende Schreiben, falle „unter das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses.“ Wenige Tage später kam es in Langenhorn zu einem Gespräch mit Bolt und das verlief ärztlicherseits offenbar nicht wunschgemäß. Ein Aktenvermerk hält fest, „zur Vornahme der Operation ist die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters notwendig“, weshalb Persichs zweiter Stiefvater hinzugezogen wurde, seine Mutter war 1930 verstorben. Und der lehnte offenbar ab, der operativen Sterilisation seines Stiefsohnes zuzustimmen. „Angehörige, die die Pflegschaft übernehmen könnten“, so der Aktenvermerk weiter, haben sich „nicht damit einverstanden“ erklärt.
Die Stadt Hamburg beantwortete solche Verweigerungen von Angehörigen mit bürokratischer Effektivität. In Fällen, in denen Angehörige ihr Einverständnis verweigerten, wurde es nach Möglichkeit amtshalber herbeigeführt. Die Lösung sah die Leitung der Staatskrankenanstalt darin, eine „Pflegschaft von amtswegen zu veranlassen“, die nach Pflegschaftsübernahme kurzum der Zwangssterilisation Persichs zustimmen sollte.
Die Einsetzung einer amtlichen Pflegschaft verlief überraschend schnell. Kaum mehr als einen Monat später wurde der Verwaltungsassessor Rohrbeck zum Vormund von Persich bestellt „zwecks Prüfung und ev[entueller] Stellung eines Antrags auf Unfruchtbarmachung und Wahrnehmung der Interessen des Pfleglings in einem solchen Verfahren.“
Das Hamburger Erbgesundheitsgericht beschloss am 22. Juni 1934 seine Sterilisation. Der seit Jahren in geschlossener Verwahrung befindliche Persich wurde seitens der Gesundheits- und Fürsorgebehörde Ende Juli 1934 aufgefordert, „Ihre Unfruchtbarmachung [...] binnen 2 Wochen vornehmen zu lassen“. Als ausführende Einrichtung wurde das Hafenkrankenhaus bestimmt. Das Schreiben enthält die unmissverständliche Drohung: „Der Eingriff wird auch gegen Ihren Willen vorgenommen werden.“ Am Ende steht der Hinweis, dass dem „operierenden Arzte“ der Gerichtsbeschluss vorzulegen sei.
Am 7. September 1934 wurde Persich in das Hafenkrankenhaus verbracht. Der operative Eingriff zur Sterilisation erfolgte noch am Aufnahmetag. Eine Woche später wurde er als „geheilt“ entlassen. In einer Anfrage des Gesundheitsamtes Altona an die Staatskrankenanstalt Langenhorn gilt er bezeichnenderweise als „Proband“.
Im Folgejahr wurde durch Dr. Lüdemann von der Staatskrankenanstalt Langenhorn eine Beschwerdeeingabe Persichs, der mit der Operation nicht einverstanden war, als „querulatorische[s] Schreiben“ abgetan. Er wies Persichs Vorwurf als unbegründet und haltlos zurück, dass "sein Sterilisationsverfahren nicht formgerecht gehandhabt und er dadurch benachteiligt worden sei.“
7. Verschleppung nach Meseritz-Obrawalde
Wilhelm Persich wurde am 25. März 1943 gemeinsam mit 49 anderen männlichen Psychiatriepatienten zwangsweise in die Heil- und Pflegeanstalt Meseritz-Obrawalde, ca. 70 km östlich von Frankfurt a.O. in der heutigen polnischen Woiwodschaft Lebus, verlegt.
Die durchschnittliche Überlebensdauer von zwangsverlegten Patienten lag dort bei kaum 40 Tagen, die Sterberate bei fast 70%. Einer der wenigen Überlebenden berichtete, die Patienten wussten recht genau, dass die Umverlegung ihren Tod bedeutete. Um sie ruhig zu halten, wurden dem Essen Medikamente beigemischt. Es herrschte eine Atmosphäre erdrückender Angst. Die Patienten litten unter Misshandlungen und der harten Arbeit bei gleichzeitiger Unterernährung. Bei den täglichen Rundgängen durch die Anstalt bestimmte ein Arzt mit einem einfachen Fingerzeig über Leben und Tod von Patienten. Die Tötung erfolgte meistens durch eine Überdosis Morphium, Veronal, Luminal, Scopolamin oder einfache Luftspritzung und wurde von Ärzten und Pflegepersonal vollzogen. Friedrich Wilhelm Persich überlebte die Tötungsanstalt keinen Monat. Am 21. April 1943 wurde er in Obrawalde ermordet. Es ist bittere Ironie der NS-Massenmorde, dass die paranoide Vorstellung einer Verschwörung der Ärzteschaft gegen seine Person, die er seit den 1920er Jahren entwickelte, nun in grausiger Weise Wirklichkeit wurde.
Als es nach dem Zweiten Weltkrieg zur Anklage gegen die Langenhorner Ärzte Wigand Quickert und Friedrich Knigge kam, stritten diese kategorisch ab, dass die Verlegung nach Meseritz-Obrawalde zum Zwecke der Tötung erfolgte. Die Auswahl zur Verlegung wurde aus "rein sachlichen ärztlichen Gründen" getroffen. Gerüchteweise hätten sie jedoch von Tötungen gehört. Trotzdem gingen die Transporte bis in das Jahr 1944 weiterhin aus Hamburg dorthin. Während des Prozesses machte eine Krankenschwester, die von Juni 1940 bis Januar 1945 in der Anstalt Meseritz-Obrawalde gearbeitet hat, als Zeugin die eindeutige Aussage: „Es ist richtig, daß Patienten in Meseritz getötet wurden.“ Ein weiterer Zeuge, der ebenfalls 1943 nach dort zwangsverlegt wurde, sagte aus, „dass von den wöchentlichen Transporten [...] der grösste Teil innerhalb drei Tagen getötet worden ist.“ Er sei durch die Anstaltsleitung auch dafür eingesetzt worden, die Leichen in Massengräbern zu beerdigen unter beständiger Angst, selbst getötet zu werden.